Round Table zum Thema ehrenamtliche Tätigkeit im SSB: «Es ist schwierig, gute Leute mit einer idealen Kombi-Erfahrung aus ihrem Job, der Wirtschaft und dem Schach zu finden»

Damit der Schweizerische Schachbund die vielfältigen Aufgaben für seine Mitglieder erfüllen kann, benötigt er nicht nur eine gut funktionierende Geschäftsstelle, sondern er ist als Sportverband auch auf die Unterstützung zahlreicher ehrenamtlich tätiger Funktionärinnen und Funktionäre angewiesen. Wie steht es aktuell um die Freiwilligenarbeit im SSB – insbesondere im Schiedsrichterwesen und im Bereich Live-Übertragungen von verbandseigenen Turnieren? Darüber diskutierten unter der Leitung von Markus Angst (Chefredaktor der «Schweizerischen Schachzeitung» und SSB-Mediensprecher) in einem Round-Table-Gespräch

- André Vögtlin (SSB-Zentralpräsident),

- Prabitha Urwyler (als Mitglied des SSB-Zentralvorstand Präsidentin der Kommission Turniere und in dieser Funktion auch Chefin des Broadcasting-Teams),

- Josef Nemecek (Präsident der SSB-Schiedsrichterkommission und International Arbiter),

- Michael Jähn (Mitglied der SSB-Schiedsrichterkommission und als FIDE Arbiter ein Vertreter der jüngeren Schiedsrichter-Generation).

 

Wie ist der SSB bezüglich ehrenamtlicher Funktionäre aktuell aufgestellt?

André Vögtlin: Grundsätzlich sind wir gut aufgestellt, aber wir sind natürlich auch immer in Bewegung – das ist normal. Das Thema ist eher die Zukunft. Ich stelle fest, dass wir im Zentralvorstand mehrere Mitglieder mit einer hohen Arbeitsbelastung haben. Es ist zudem schwierig, gute Leute mit einer idealen Kombi-Erfahrung aus ihrem Job, der Wirtschaft und dem Schach zu finden. Das dürfte auch in Zukunft nicht einfacher werden. Denn ich registriere einen Wertewandel. Jüngere engagieren sich wegen ihrer beruflichen und familiären Belastung oder wegen anderen Hobbies nicht mehr so stark wie früher. Wir müssen deshalb verstärkt auch die Vorteile eines solchen Engagements herausheben.

Sie sprechen das Thema jüngere Generation an. Wenn wir auf die Zusammensetzung des jetzigen SSB-Zentralvorstands schauen, stellen wir fest, dass vier der acht Mitglieder älter sind als 60, der Altersdurchschnitt bei 57 Jahren liegt und der 38-jährige Silvio Bucher ist als Einziger jünger ist als 50. Birgt die Fokussierung auf erfahrene Leute nicht auch die Gefahr, dass die jüngere Generation zu wenig vertreten ist und damit – nicht zuletzt auch auf strategischer Ebene – Fragen, die junge Schachspieler(innen) bewegen, zu wenig Bedeutung zugemessen wird?

André Vögtlin: Ehrenamtliches Arbeiten profitiert von Skills, die man im reinen Schach sonst nicht hat. So sind beispielsweise vom Zentralvorstand Urs Hirt und ich in der Unternehmensberatung tätig. Prabitha Urwyler hat als Neurowissenschaftlerin und Biomediziningenieurin ein grosses Wissen im Bereich Social Chess. Werner Hertzog hat langjährige Erfahrung als Finanzmanager. Und Silvio Bucher ist ein ausgewiesener Marketingexperte. So kann das Schweizer Schach vom beruflichen Know-how zahlreicher Personen profitieren. Insofern bietet der Verband mehrere tolle Jobs, in denen Leute in ihrer in höherem Masse verfügbaren Freizeit insbesondere nach ihrer Pensionierung aufgehen können. Aber ich sehe natürlich die Gefahr der Überalterung. Deshalb wünschte ich mir, dass sich mehr Leute bei mir melden. Denn die ZV-Jobs sind ja temporär für einige Jahre, und es gibt regelmässig Wechsel. Doch man darf nicht vergessen, dass die Belastung teilweise sehr hoch ist – so wende ich gut 30 bis 40 Prozent meiner Zeit für den SSB und die FIDE auf. Trotzdem ist es mir jedoch ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass sich im operativen Bereich des SSB durchaus auch jüngere Kräfte engagieren. So ist der 22-jährige Oliver Angst für Social Media zuständig, der 30-jährige Florian Zarri leitet mit Bravour die Schweizerische Gruppenmeisterschaft (SGM), und der 32-jährige Jesse Angst amtiert als Bundesturnierleiter.

Eine Frage an den mit 38 Jahren jüngsten Teilnehmer dieses Round Tables: Wie schwierig ist es, sich als voll Berufstätiger auf Verbandsebene einzubringen – zumal Sie ja auch in Ihrem Verein SG Winterthur engagiert sind und auch regelmässig an (Mannschafts-)Turnieren mitspielen?

Michael Jähn: Ich sehe das genauso wie André Vögtlin. Es ist einerseits ein generelles, andererseits aber auch ein individuelles Problem. Die entscheidende Frage lautet: Wie viel Zeit habe ich zur Verfügung? Klar ist: Arbeitet jemand Teilzeit, kann dies ein solches Ehrenamt begünstigen. Aber auch dann stellt sich die Frage: Welche anderweitigen Verpflichtungen – beispielsweise familiärer Natur – habe ich noch? Ich selber bin 100 Prozent berufstätig, bin im Verein engagiert, spiele Turniere, und nun kommt noch die Arbeit in der Schiedsrichterkommission dazu. Das muss man zuerst mal alles unter einen Hut bringen. Für mich stimmt es im Moment, allerdings beträgt mein Freizeit-Aufwand für das Schach keine 30 bis 40 Prozent. Wichtig scheint mir, dass man dies gut abschätzen kann, bevor man für ein Amt zusagt.

Lesen Sie das komplette Round-Table-Gespräch in «SSZ» 3/24!

 

Michael Jähn: «Die entscheidende Frage lautet: Wie viel Zeit habe ich zur Verfügung?»